Erstattung von Ruxolitinib-Creme

Vitiligo ist eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der es zu einer fleckigen Depigmentierung der Haut kommt. In der Pathogenese spielt eine Überaktivität des JAK (Januskinase)-STAT (Signal Transducers and Activators of Transcription)-Signalwegs eine wichtige Rolle. Die topische Therapie mit dem selektiven JAK1/JAK2-Inhibitor Ruxolitinib ermöglicht eine schrittweise Repigmentierung der Haut. Ruxolitinib-Creme ist die erste und einzige explizit zugelassene Therapie für die Behandlung der nichtsegmentalen Vitiligo (NSV)a. Bei indikationsgerechtem Einsatz werden die Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommenb. Bei Vitiligo führen autoimmune Mechanismen zu einem Funktionsverlust mit fortschreitender Zerstörung der Melanozyten und damit zu einem Pigmentierungsverlust. Klinisch charakteristisch sind scharf begrenzte depigmentierte Flecken auf der Haut [1]. Das verbesserte Verständnis der komplexen, multifaktoriellen Pathogenese hat dazu geführt, dass die Erkrankung in zwei Subtypen klassifiziert wird, segmentale Vitiligo (SV) und NSV [2]. Während die depigmentierten Hautläsionen bei SV auf eine Körperstelle beschränkt sind, treten sie bei NSV typischerweise beidseits an Akren und Gesicht oder symmetrisch am ganzen Körper auf (Abb. 1). Mit einem Anteil von 84–95% macht die NSV den überwiegenden Anteil aller Vitiligofälle aus [3]. Zu den Pathomechanismen der NSV zählt eine Dysregulation des JAK-STAT-Signalwegs [2–6]. Dort setzt auch die topische Therapie mit Ruxolitinib-Creme (Opzelura®) an [7]. Der Wirkstoff Ruxolitinib ist ein selektiver JAK-Inhibitor der Isoformen JAK1 und JAK2. Ruxolitinib-Creme wird angewendet zur Behandlung der NSV mit Beteiligung des Gesichts bei Erwachsenen und Jugendlichen im Alter ab 12 Jahren [7]. Abb. 1: Formen von Vitiligo (modifiziert nach [9]) Springer Medizin Verlag GmbH × Gleichmäßige Repigmentierung Die Zulassung des Ruxolitinib-haltigen Topikums basiert auf den Ergebnissen der beiden randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studien TRuE-V1 und TRuE-V2, die die Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Arzneimittels im Vergleich zu einer wirkstofffreien Creme (Vehikel) nachwiesen [8]. An den Studien nahmen insgesamt 674 Patientinnen und Patienten im Alter ≥12 Jahren teil, deren Körperoberfläche bis zu 10% von NSV betroffen war [8]. Nach einer 24-wöchigen, placebokontrollierten Phase konnten alle Teilnehmenden Ruxolitinib-Creme anwenden [8]. Primärer Endpunkt war eine Zunahme der Pigmentierung im Gesicht um ≥75%, erfasst mit dem fazialen Vitiligo Area Scoring Index (F-VASI75-Response) zu Woche 24. In den Studien erreichten 29,8% bzw. 30,9% der mit Ruxolitinib-Creme Behandelten den primären Endpunkt, verglichen mit 7,4% bzw. 11,4% der Placebogruppe (jeweils p<0,001) [8]. Die Repigmentierung erfolgte schrittweise und nahm im Verlauf noch weiter zu (Abb. 2) [9]. Nach 52 Wochen stieg der Anteil mit F-VASI75-Response bei den Betroffenen, die Ruxolitinib-Creme von Anfang an anwendeten, auf 52,6% bzw. 48,9%. Von den initial mit Placebo Behandelten erreichten 27% bzw. 30% nach dem Wechsel auf Ruxolitinib-Creme eine F-VASI75-Response [8]. Ruxolitinib-Creme zeigte ein günstiges Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil mit wenigen behandlungsbedingten Therapieabbrüchen [9, 10]. Als häufigste Nebenwirkung trat Akne an der Applikationsstelle auf (5,8%) [7]. Laborwertkontrollen sind laut Fachinformation nicht vorgeschrieben [8]. Abb. 2: Repigmentierungsergebnis durch Ruxolitinib-Creme (modifiziert nach [9]) Incyte Biosciences Germany GmbH × Therapeutisches Potenzial nutzen Beeindruckend sei nicht nur das Ausmaß der Repigmentierung, sondern auch das qualitativ hochwertige Therapieergebnis, so Dr. Ina Hadshiew, Fachärztin für Dermatologie, Köln, „Ruxolitinib ist ein Game-Changer für NSV. Betroffene Hautstellen werden gleichmäßig im individuellen Hautton repigmentiert.“ Dadurch unterscheide sich der topische JAK-Inhibitor von anderen Therapiemodalitäten wie Phototherapie, topische Kortikosteroide und topische Calcineurin-Inhibitoren. Um bestmögliche Therapieziele zu erreichen, sollten Betroffene über die erforderliche Langzeitanwendung aufgeklärt werden, da der Repigmentierungsprozess Zeit benötigt. Durch die selektive Bindung an JAK1 und JAK2 hemmt Ruxolitinib die Interferon-γ-induzierte JAK-STAT-Signalübertragung [7], sodass weniger Melanozyten-spezifische CD8+-T-Zellen angelockt werden, wodurch die Zerstörung der Melanozyten vermindert wird [3, 4, 7]. Zusätzlich können melanozytäre Vorläuferzellen aus Haarfollikeln sowie den Läsionsrändern in depigmentierte Areale einwandern und dort als reife Melanozyten schrittweise zur Repigmentierung führen [3]. Die Bindung an JAK1 trägt zudem zur Aufrechterhaltung der Repigmentierung bei, indem die Interleukin-15-vermittelte Signalübertragung inhibiert wird und keine T-Gedächtniszellen aktiviert werden [5–7]. Beim Therapiemanagement der NSV ist auch die subjektive Krankheitslast relevant. Vitiligo geht mit einem hohen psychosozialen Leidensdruck und Lebensqualitätsbeeinträchtigungen einher [1, 2]. Daher wird empfohlen, zu Therapiebeginn neben dem objektiven Schweregrad (VASI) mit entsprechenden Lebensqualitätsfragebogen (z. B. DLQI [dermatology-specific quality of life questionnaire]) die subjektive Belastung zu erfassen [11]. a Opzelura® wird angewendet zur Behandlung von nichtsegmentaler Vitiligo mit Beteiligung des Gesichts bei Erwachsenen und Jugendlichen im Alter ab 12 Jahren [7]. b Eine Dokumentation der Therapieentscheidung ist empfehlenswert. Autoimmunerkrankung Vitiligo Erstattung von Ruxolitinib-Creme durch die GKV Dr. Gerhard Nitz, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Berlin Daniel Sommer × Herr Dr. Nitz, wann ist ein Arzneimittel zu Lasten der GKV erstattungsfähig? Nitz: Ein Arzneimittel ist erstattungsfähig, wenn es zugelassen sowie verschreibungspflichtig ist und bei der Behandlung einer Krankheit dem medizinischen Standard entspricht. Das gilt aber nicht für Arzneimittel, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, es darf also keine Lifestyle-Indikation sein. Gilt Vitiligo als Lifestyle-Indikation? Nitz: Das zugelassene Anwendungsgebiet von Ruxolitinib-Creme setzt eine Beteiligung des Gesichts voraus. Deshalb ist die Vitiligo meines Erachtens eine Krankheit im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Bestätigt wird diese Einschätzung dadurch, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Jahr 2019 ein Verfahren einleitete, in dem er prüfte, ob das Arzneimittel Carotaben® (Wirkstoff: Betacaroten) für das Anwendungsgebiet Vitiligo als Lifestyle-Arzneimittel ausgeschlossen wird. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 20.08.2020 eingestellt [12]. Die Vitiligo ist nicht als Lifestyle-Indikation klassifiziert. Erfüllt Ruxolitinib somit alle Voraussetzungen, zu Lasten der GKV erstattet zu werden? Nitz: Ja, bei indikationsgerechtem Einsatz ist Ruxolitinib-Creme zu Lasten der GKV erstattungsfähig. Literatur Agarwal K et al., Dermatol Ther 2020, 33:e13215 Bergqvist C, Ezzedine K, Dermatology 2020, 236:571–592 Birlea SA et al., Dermatol Clin 2017, 35:205–218 Strassner JP, Harris JE, Curr Opin Immunol 2016, 43:81–88 Chen X et al., Free Radic Biol Med 2019, 139:80–91 Nolz JC, Richer MJ, Mol Immunol 2020, 117:180–188 Fachinformation Opzelura® 15 mg/g Creme, aktueller Stand Rosmarin D et al., N Engl J Med 2022, 387:1445–1455 Incyte Biosciences International Sàrl, Data on File 2023 Rosmarin D et al., Lancet 2020, 396:110–120 https://www.arzneimittelleitfaden.de/wp-content/uploads/2023/06/ChecklisteTherapie-Vitiligoss5.pdf (letzter Zugriff: 25.01.2024) https://www.g-ba.de/beschluesse/4434/ (letzter Zugriff: 25.01.2024) OPZELURA® 15mg/g Creme Wirkstoff: Ruxolitinib (als Phosphat) Bevor Sie Opzelura® verschreiben, lesen Sie bitte die vollständige Fachinformation (Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels). Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Ein Gramm der Creme enthält 15mg Ruxolitinib (als Phosphat). Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Propylenglykol (E1520) 150mg/g der Creme, Cetylakohol (Ph.Eur.) 30mg/g der Creme, Stearylalkohol (Ph.Eur.) 17,5mg/g der Creme, Methyl-4-hydroxybenzoat (E218) 1mg/g der Creme, Propyl-4-hydroxybenzoat (Ph.Eur.) 0,5mg/g der Creme, Butylhydroxytoluol (als Antioxidationsmittel in weißem Vaselin) (E321). Weitere sonstige Bestandteile: Dimethicon (E900), Natriumedetat (Ph.Eur.) (E385), Glycerolstearate SE, Macrogol, mittelkettige Triglyceride, dünnflüssiges Paraffin (E905), weißes Vaselin (E905), Phenoxyethanol (Ph.Eur.), Polysorbat 20 (E432), gereinigtes Wasser, Xanthangummi (E415). Anwendungsgebiete: Opzelura wird angewendet zur Behandlung von nichtsegmentaler Vitiligo mit Beteiligung des Gesichts bei Erwachsenen und Jugendlichen im Alter ab 12 Jahren. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Schwangerschaft und Stillzeit. Nebenwirkungen: Häufige Nebenwirkungen (≥1/100,<1/10): Akne an der Applikationsstelle. Verkaufsabgrenzung: Deutschland: Verschreibungspflichtig. Österreich: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Pharmakotherapeutische Gruppe: Andere Dermatika, Mittel zur Behandlung der atopischen Dermatitis, exklusive Corticosteroide, ATC-Code: D11AH09. Inhaber der Zulassung/pharmazeutischer Unternehmer: Incyte Biosciences Distribution B. V., Paasheuvelweg 25, 1105 BP Amsterdam, Niederlande. Weitere Informationen: Ausführliche Informationen zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen sowie Dosierung und Art/Dauer der Anwendung entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation (Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels). Stand: 05/2023 Impressum „Autoimmunerkrankung Vitiligo: Erstattung von Ruxolitinib-Creme“, Literaturarbeit und Interview Bericht: Abdol A. Ameri, Weidenstetten Artikel gedruckt in: Deutsche Dermatologie 3/24 Mit freundlicher Unterstützung der Incyte Biosciences Germany GmbH, München Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Julia Guldan Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF-Download: Autoimmunerkrankung Vitiligo - Erstattung von Ruxolitinib-Creme DE/OPZL/P/24/0020. Art. Nr. ICY0208

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