Orale Immuntherapie mit Erdnuss für Kinder und Jugendliche

Im Update 2021 der S2k-Leitlinie zum Management von Nahrungsmittelallergien wird nun auch die orale Immuntherapie mit Erdnuss für Kinder und Jugendliche empfohlen. „Schwere Nahrungsmittelallergien nehmen vor allem bei Kindern zu“, berichtete die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) Prof. Dr. med. Margitta Worm, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Charité –Universitätsmedizin Berlin. So sei gerade bei Jüngeren (0–14 Jahre) eine erhöhte Hospitalisierungsrate infolge nahrungsmittelinduzierter Anaphylaxie zu sehen, was die Notwendigkeit der Diagnostik und Therapie gerade in dieser Altersgruppe zeige [1], erklärte sie. Weiterhin lässt sich laut Worm aus noch unpublizierten Daten des Europäischen Anaphylaxieregisters schließen, dass die Auslöserprofile für eine Anaphylaxie altersabhängig sind. Zwar ist die Haselnuss-Allergie bei Kindern und Erwachsenen gleich häufig, aber insgesamt haben die Kinder andere häufige Auslöser für eine Anaphylaxie als Erwachsene: Am häufigsten sind bei Erwachsenen anaphylaktische Reaktionen gegen Weizen, Schrimps und Soya, bei Kindern allerdings gegen Erdnuss, Kuhmilch und Hühnerei. Orale Erdnuss-Immuntherapie erhöht orale Verträglichkeit Nun wird im Update der S2k-Leitlinie „IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien, Management“ die orale Erdnuss-Immuntherapie empfohlen. Die Empfehlung beruht auf den Ergebnissen der Phase-III-Zulassungsstudie PALISADE [2]. Darin erhielten die jungen Patienten nach dem klassischen Prinzip der Immuntherapie zunächst kleine Mengen an Erdnuss, die über eine 2-wöchige Eskalationsphase gesteigert wurde bis zu einer Erhaltungsdosis über circa sechs Monate. Die orale Verträglichkeit der Erdnuss (600 mg) konnte dadurch von 4% in der Placebo-Gruppe auf 67% in der Erdnuss-Immuntherapie-Gruppe erhöht werden. „In Langzeitwirksamkeitsstudien konnte bei einer längeren Therapie die vertragene Dosis noch weiter gesteigert werden“, sagte Worm [3]. Allerdings seien noch mehr Daten nötig, u.a. zu der Frage, wie lange die Therapie durchgeführt werden muss. Klassische Bausteine der Allergiediagnostik Für die Diagnostik der Nahrungsmittelallergie werden in der aktuellen Leitlinie weiterhin die klassischen Bausteine der Allergologie empfohlen: Anamnese, Nachweis der Sensibilisierung und Nachweis der Allergie. Am Anfang steht die strukturierte Anamnese, in der Auslöser, Zeitverlauf, Symptome, Schweregrad, Reproduzierbarkeit, Risiko- und Augmentationsfaktoren, Familienanamnese, Begleiterkrankungen und andere allergische Erkrankungen berücksichtigt werden sollen (starker Konsens). Bei chronischen Symptomen kann ein Ernährungs- und Symptomprotokoll geführt werden (starker Konsens). Anschließend erfolgt der Nachweis der Sensibilisierung über spezifische IgE-Tests, bevorzugtes Hauttestverfahren ist hier der Haut-Pricktest (starker Konsens). „Nicht zu empfehlen sind Scratch-Testungen, Reibteste, Intrakutantestungen und geschlossene Epikutantestungen (Atopie-Patch-Test) in der Routinediagnostik“, mahnte Worm. Zusätzlich bedenken sollte man bei der Auswahl der Testverfahren: „Sensibilisierung ist nicht gleich Allergie“, so Worm. Denn der Nachweis einer Sensibilisierung mittels spezifischer IgE-Bestimmung oder Haut-Pricktest beweist laut Leitlinie nicht die klinische Relevanz des getesteten Nahrungsmittels und soll nicht allein zu einer therapeutischen Elimination führen (starker Konsens). Für den Nachweis IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie ist die orale Nahrungsmittelprovokation (besonders die doppelblind placebokontrolliert durchgeführte) weiterhin der Goldstandard (Empfehlung A). „Wir wollen, dass die Patienten provoziert werden, wir wissen aber, dass wir diesbezüglich in Deutschland nicht ganz optimal aufgestellt sind, es gibt zumindest im Erwachsenenbereich große Versorgungslücken“, erklärte Worm. Die Vorgabe der Leitlinie ist diesbezüglich, dass orale Nahrungsmittelprovokationen in spezialisierten Einrichtungen durchgeführt werden sollen, in denen Notfallmaßnahmen unmittelbar verfügbar sind. Bei Provokation mit hohem Risiko für schwere allergische Reaktionen soll darüber hinaus intensivmedizinische Unterstützung verfügbar sein (Empfehlung A). „Das Entscheidende hierbei ist, nicht nur die Nahrungsmittelallergie nachzuweisen, sondern es besteht auch die Möglichkeit, die auslösende Menge zu bestimmen, das spielt für die Beratung der Patienten eine große Rolle“, erinnerte Worm. Literatur 1.) Conrado AB et al. BMJ. 2021;372:n251 2.) Vickery BP et al. N Engl J Med. 2018;379:1991-2001 3.) Vickery BP et al. J Allergy Clin Immunol Pract. 2021;9(5):1879-89.e14 4.) Fernandez-Rivas M et al. Allergy. 2021; https://doi.org/10.1111/all.15027 basierend auf: 16. Deutscher Allergiekongress, 30.09. – 02.10.2021, Dresden und virtuell. Session: „Allergologische Leitlinien: Update 2021 – Nahrungsmittelallergie Alle Berichte vom 16. 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